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Geschichtliches

Bedeutungsrückgang der Trachten im 19. Jahrhundert

trachten_geschichte_1In vielen der deutsch besiedelten Gebiete Böhmens und Mähren-Schlesiens verschwanden die Trachten bereits im 19. Jahrhundert aus dem Alltagsleben. Die frühe Industrialisierung und der dadurch einsetzende Aufschwung für die oft kargen deutschen Siedlungsgebiete trugen ihren Teil dazu bei.

In den Sprachinseln hielt sich die Tracht dagegen wesentlich länger, in der Wischauer Sprachinsel sogar bis zur Vertreibung 1946. Ein Grund für dieses Traditionsbewußtsein ist in dem Bemühen zu suchen, sich von der tschechisch geprägten Umgebung abzugrenzen und die eigene deutsche Identität zu betonen und zu bewahren.

Dieses Potential zur Abgrenzung besitzt jede Kleidung. Sie verweist nicht nur auf den individuellen Geschmack ihres Trägers oder ihrer Trägerin, sondern zeigt mit Hilfe eines ausgeklügelten, sich ständig wandelnden Kleidercodes immer auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe an. Problematisch wird dieses Phänomen dann, wenn es instrumentalisiert wird und damit auch seine Lebendigkeit und Vielfalt verliert.

 

Frühes 20. Jahrhundert: Renaissance der Tracht

In einzelnen sudetendeutschen Gebieten erwachte schon früh ein neues Interesse an der Tracht. Im Egerland begann diese Entwicklung um 1900 in Verbindung mit dem Bädertourismus. Im Böhmerwald rief 1915 der Lehrer Josef Schramek dazu auf, die Böhmerwaldtracht wieder aufleben zu lassen. Im Schönhengstgau begann die Trachtenerneuerung mit den Singwochen des Volksliedforschers Walther Hensel (1923).

 

1930er Jahre: Trachtenerneuerung im Rahmen des "Volkstumskampfes"

In den Jahren 1937 und 1938 erfuhr die Tracht einen erneuten Bedeutungswandel. Ein "Trachtenausschuß der Volkstumsverbände" wurde gegründet. Wissenschaftlicher Berater wurde der Volkskundler Dr. Josef Hanika (1900-1963). Es wurden regionale Unterausschüsse eingerichtet, die sofort begannen, alte Trachtenteile zu sammeln und Fragebogen an Gewährspersonen zu versenden. In Anlehnung an diese historisch nachgewiesenen Trachten wurden nun erneuerte Trachten entworfen. Es sollten Trachten sein, die für alle erschwinglich waren - ein wichtiger Punkt in den damaligen Notzeiten. Daher wurde auf teure Stoffe und Auszier verzichtet. Sie sollten sich auch von Laien schneidern lassen, daher wurden möglichst einfache Schnitte gewählt. Und schließlich sollten sie den "modernen" und "hygienischen" Ansprüchen der Zeit genügen.

 

Ziel dieser neuen Trachtenbewegung war es, das deutsche Zusammengehörigkeitsgefühl im sogenannten Volkstumskampf zu stärken. Für differenzierte regionale und soziale Unterschiede, wie sie sich immer in Kleidung und Tracht gespiegelt haben, und für den ständigen Wandel unter dem Einfluß der Mode war unter diesem Blickwinkel kein Platz.

 

Nach 1945

Das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Vertreibung der Deutschen wirkten sich auch auf die Tracht, ihren Tragezusammenhang und ihre Bedeutung aus. Im Vertreibungsgepäck hatten die Trachten oder Trachtenteile nur selten Platz; wertvolle Stücke wie Trachtenschmuck durften nicht mitgenommen werden. Bald nach der Ankunft in Westdeutschland entstand mit den ersten Vertriebenentreffen auch der Wunsch, wieder Tracht zu tragen - sicher gefördert durch die lebendige Trachtentradition in Bayern, wo sich der Großteil der Sudetendeutschen niederließ. Der Landschaftsrat für den Böhmerwald beschloß beispielsweise schon 1953 auf einer Tagung in München, eine allgemeine Böhmerwäldler Tracht einzuführen. Mit einfachsten Mitteln wurden "Nottrachten" hergestellt. Sie orientierten sich oft an den Schnitten der erneuerten Tracht von 1937/38, die sich leicht und preiswert nachschneidern ließen.


Die Erforschung der historischen Trachten in ihrer Vielfalt war vor 1990 sehr erschwert. Inzwischen besteht jedoch die Möglichkeit, Forschungen an Originalteilen in Museen durchzuführen. So rekonstruiert beispielsweise das Nordböhmen-Heimatwerk anhand musealer Stücke alte Schnitte nordböhmischer Trachten.